Ohne Papiere, ohne Rechte?
In Wien eröffnet mit UNDOK eine neue gewerkschaftliche Anlaufstelle. Zielgruppe sind jene, die undokumentiert arbeiten und dabei oft ausgebeutet werden.
In Wien eröffnet mit UNDOK eine neue gewerkschaftliche Anlaufstelle. Zielgruppe sind jene, die undokumentiert arbeiten und dabei oft ausgebeutet werden.
Wochenlang hat Zoheir S. undokumentiert am Bau gearbeitet. Dann blieb ihm sein Arbeitgeber seinen Lohn schuldig. Eine prekäre Situation, trotzdem hat Zoheir S. für sein Recht gekämpft. Bei der offiziellen Eröffnung von UNDOK – Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung UNDOKumentierter Arbeitender – Anfang Juni im ÖGB-Haus berichtete der ehemalige Asylwerber vor 150 Gästen über seine Erfahrungen.
Als „undokumentierte Arbeit“ wird die Lohnarbeit von Migrant_innen bezeichnet, die über kein Aufenthaltsrecht verfügen oder aufgrund ihres Aufenthaltstitels keinen oder nur beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Im Alltag wird dies oft als „Schwarzarbeit“ bezeichnet. Undokumentierte Arbeit ist häufig unsicher, schlecht bezahlt und gefährlich. Denn Arbeitgeber_innen nutzen die prekäre Situation von Betroffenen immer wieder aus, erpressen sie, beuten sie aus, zahlen Löhne zu spät oder gar nicht und umgehen damit arbeitsrechtliche Standards. Hinzu kommt, dass undokumentiert Arbeitende oftmals nicht über ihre Rechte Bescheid wissen und von Abschiebung bedroht sind.
Bindeglied zwischen Arbeits- und Fremdenrecht. Deswegen lautet das Motto von UNDOK „Arbeit ohne Papiere, aber nicht ohne Rechte!“. Die Botschaft ist klar: Undokumentiert Arbeitende haben Rechte und sollen für diese kämpfen, sie haben beispielsweise Anspruch auf Krankenversicherung und auf eine adäquate Entlohnung. Bestehende Beratungsangebote seien aber oftmals nicht niederschwellig genug. Mit kostenlosen, mehrsprachigen Informationen will UNDOK dem endlich etwas entgegensetzen. „Wir wollen ein Bindeglied zwischen Arbeits- und Aufenthaltsrecht schaffen“, erklärt Karin Jović. Die Mitwirkenden sind sich bewusst, dass ein unsicherer Aufenthaltsstatus allerdings eine Hürde sein kann, sich an Stellen wie UNDOK zu richten. Durch die enge Zusammenarbeit mit antirassistischen Initiativen und NGOs erhofft man sich Know-how im Bereich Fremdenrecht. Außerdem können Betroffene unverbindliche Anfragen per Telefon stellen. Eventuelle Risiken bei rechtlichen Schritten sollen gemeinsam mit den Betroffenen abgeklärt werden. Die Entscheidung, wie es in ihrem konkreten Fall weitergehen soll, treffen die Betroffenen immer selbst.
Wanted: Selbstorganisation. So wichtig die individuelle Betreuung ist, für UNDOK ist gleichzeitig klar, dass der Kampf um Arbeitsrechte nicht vor den Türen des Beratungsbüros aufhört. „Das langfristige Ziel ist eine Selbstorganisation und Vernetzung der undokumentiert arbeitenden Kolleginnen und Kollegen“, so Sandra Stern, die als basisgewerkschaftliche und antirassistische Aktivistin bei UNDOK tätig ist. „Allein durch Einzelklagen ändert sich nichts an der systematischen Überausbeutung von undokumentiert Arbeitenden.“ Seit 2011 schmiedet der UNDOK-Arbeitskreis Bündnisse mit politischen Akteur_innen aus unterschiedlichsten Bereichen und treibt eine Verankerung des Themas in den Gewerkschaften voran. Neben diesen machen sich nun auch Interessensvertretungen wie die ÖH oder die Arbeiterkammer Wien, NGOs, migrantische Selbstorganisationen und antirassistische Aktivist_innen für die Rechte undokumentiert Arbeitender stark. Vorbilder fand man in verschiedenen
europäischen Ländern, in Österreich fehlte ein solches Projekt bisher gänzlich.
Dabei ist die Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verbesserung der Situation von undokumentiert Beschäftigten dringend notwendig. Noch immer haben Gewerkschaften das Thema „Arbeit ohne Papiere“ nicht auf ihrer Agenda oder arbeiten sogar oft gegen die Interessen von Migrant_innen, wenn sie herrschende Migrationsregime und -gesetze unterstützen. Nationalistische Gewerkschaftspolitik verschleiert, dass eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen einzelner Gruppen eine Schwächung der Anliegen aller unselbstständig Beschäftigten bedeutet. Die UNDOK-Anlaufstelle macht deshalb auf Spaltungen in der Arbeitnehmer_innenschaft aufmerksam und will das Thema undokumentierte Arbeit gesellschaftlich sichtbar machen, ganz nach dem Motto: Undokumentierte Arbeit geht uns alle etwas an – ob mit oder ohne Papiere.
Dokumentierter Lohnbetrug. Auch zahlreiche Studierende leisten in Österreich undokumentierte Arbeit. Mit der Verdoppelung der
Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger_innen haben sie hautnah die Folgen diskriminierender Politik erlebt. Am Arbeitsmarkt ist es nicht wesentlich anders – auch hier sind Studierende aus „Drittstaaten“ massiven Beschränkungen ausgesetzt. Zwar verfügen Studierende während ihres Studiums über eine Aufenthaltsbewilligung und sind dahingehend abgesichert, allerdings können sich viele mit dem bewilligten Beschäftigungsausmaß (zum Beispiel zehn Stunden pro Woche) ihr Leben nicht finanzieren und müssen somit darüber hinaus undokumentierter Lohnarbeit nachgehen. Ähnlich gestaltet sich die Situation von Asylwerber_innen: Sie verfügen während des Asylverfahrens zwar über ein zeitweiliges Aufenthaltsrecht, dürfen aber nur mit einer Beschäftigungsbewilligung, vor allem in der Saisonarbeit, legal arbeiten. Den meisten Asylwerber_innen bleibt die Möglichkeit, regulär zu arbeiten, somit versperrt.
So ging es auch Zoheir S., der über einen Freund mit UNDOK und der Gewerkschaft in Kontakt gekommen ist. Gemeinsam sollte der ausstehende Lohn erkämpft werden. Die betroffene Sub-Firma von Porr meldete allerdings Konkurs an und bestritt, dass Zoheir S. jemals für sie gearbeitet hätte. Eine außergerichtliche Einigung brachte Zoheir S. schließlich den kollektivvertraglich festgelegten Mindestlohn plus die ihm zustehenden Zuschläge.
In der Vergangenheit setzten österreichische Gewerkschaften bei Fällen wie diesem vor allem auf die Bestrafung von Arbeitgeber_innen. Razzien und Behördenkontrollen sind jedoch nicht immer im Sinne der Beschäftigten, besonders wenn deren Aufenthaltsstatus unsicher ist und ihnen die Abschiebung droht. UNDOK will daher den Fokus auf die Betroffenen und ihre Rechte legen. Dem steht nach der erfolgreichen Eröffnung der UNDOK-Anlaufstelle nicht mehr viel im Weg. Für Sandra Stern ist klar: „Als Gewerkschaft wollen wir nicht vor Konflikten zurückschrecken, sondern diese austragen!“
UNDOK, ÖGB (Catamaran), Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien
Öffnungszeiten: MO, 9.00 Uhr – 12.00 Uhr und MI, 15.00 Uhr – 18.00 Uhr
Termine jenseits der Öffnungszeiten sind nach Vereinbarung
möglich. Tel.: +43/1/534 44 -39040, Email: office@undok.at – www.undok.at
Sonja Luksik studiert Politikwissenschaft an der Uni Wien.