Hintergrundgespräch: Wer sind die Identitären?
Progress hat mit dem Rechtsextremismusexperten Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) über die politische Ideologie und die Hintergründe der Identitären gesprochen.
Progress hat mit dem Rechtsextremismusexperten Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) über die politische Ideologie und die Hintergründe der Identitären gesprochen.
Ausschnitt aus dem Interview:
progress: Welche Ideologie vertreten die Identitären?
Wir müssen zwei Gruppen – bei aller personellen Überschneidung – unterscheiden: auf der einen Seite die eher inhaltlich arbeitende WIR - Wiener Identitäre Richtung und der aktionistische Flügel „Die Identitären“ . Inhaltlich behaupten beide in der Tradition der „neuen Rechten“ zu stehen. Das ist eine Strömung des Rechtsextremismus, die in Frankreich in den späten 1960er Jahren ihren Ausgang nahm. Der Auslöser für das Entstehen der neuen Rechten im Rechtsextremismus war das Scheitern der parteiförmigen Rechten in Frankreich und dann auch in Deutschland in Form der NPD. Aus diesem Scheitern entstand der Ansatz heraus, weg von der Parteienpolitik hin zur Metapolitik. Inhaltlich unterscheidet sich die neue Rechte von der alten. Sie weigert sich mit dem Nationalsozialismus und vor allem seinen Verbrechen auseinanderzusetzen. Statt des Nationalsozialismus waren vielmehr die anderen europäischen Faschismen der Bezugspunkt. Dahinter stand der Glaube, dass diese nicht derart wie die NS-Ideologie diskreditiert wären. Auch die Konservative Revolution ist ein Schlagwort der neuen Rechten
[…]
Das Gewaltmoment der Identitären wird jedoch immer wieder übersehen. Denn wer von einer Kriegserklärung spricht, der droht mit Gewalt. Diese Gewaltdrohung wurde auch von einem Identitären in der rechtsextremen Publikation „Zuerst!“formuliert. […] Zitat: „Als Symbol haben sie sich das Lambda-Zeichen gewählt, das in der Antike die Schilde der spartanischen Hopliten (Bürgersoldaten) zierte. Ein weiterer Hinweis auf eine kämpferische Grundhaltung.“ Also diese kämpferische Grundhaltung nehmen sie für sich in Anspruch. Und wenn man jetzt weiß, wie die Spartaner gekämpft haben, so ist dies nicht zufällig. Sie nehmen die Spartaner, da das mit der Männlichkeit zu tun hat – Stichwort: Männerfantasien –, da deren Kampf ein aussichtsloser war. Und wenn ein Mensch in einer aussichtslosen Lage ist, so ist er zu übermenschlichen Taten und extremer Gewalttätigkeit bereit. Das hat auch apokalyptische Züge. […] Und das muss man kritisieren: Denn wer nach Anders Behring Breivik [Anm.: dem Attentäter von Oslo 2011] noch davon spricht, dass Europa untergeht, dass man die letzte Generation sei, die die Chance habe, das noch aufzuhalten und dazu noch die kämpferische Grundhaltung betont, der ist zumindest unverantwortlich! […]
Link:
Dokumentationsarchav des österreichischen Widerstandes
Eindrücke des Tages: UnterstützerInnen der Flüchtlinge, die seit Wochen in der Votivkirche protestieren, eilen herbei. Laut eigenen Angaben reichen die Flüchtlinge den rechten Aktivisten die Hand und bieten ihnen unter anderem Tee an.
(Fotos: C. Glanzl)