Achtung, Triggerwarnung!
Ein Foto, eine Filmszene, eine Phrase – sogenannte „Trigger“ können an traumatisierende Erlebnisse erinnern. Die psychischen Auslösereize beeinträchtigen den Alltag von Betroffenen ungemein.
Ein Foto, eine Filmszene, eine Phrase – sogenannte „Trigger“ können an traumatisierende Erlebnisse erinnern. Die psychischen Auslösereize beeinträchtigen den Alltag von Betroffenen ungemein.
„Für mich kann es nur eine Handbewegung sein, manchmal auch nur eine bestimmte Betonung eines Wortes“, erklärt Katharina Wilder, die in Wirklichkeit anders heißt. Mit 18 geriet sie in eine gewaltvolle Beziehung. Noch heute erlebt sie Flashbacks zu übergriffigen Situationen mit ihrem ehemaligen Partner. Grund dafür sind meist Auslösereize, sogenannte „Trigger“. Völlig unerwartet werden durch äußere Eindrücke Erinnerungen wach, die sie in Panik versetzen. „Ich fühle mich wieder in die Situation hineinversetzt, fange an zu schwitzen und bekomme einfach nur tierische Angst.“
HERZRASEN. Was ein Trigger sein kann und wie er sich äußert, ist individuell verschieden. Dadurch, dass es manchmal auch nur Daten oder Namen sein können, kann es zu Unverständnis von Seiten Außenstehender kommen. „Viele können nicht nachvollziehen, was da in mir passiert. Ich muss meine Freund_innen aktiv auf meinen Zustand aufmerksam machen. Es mag wie eine Kleinigkeit wirken, aber für mich kann ein Trigger echt den ganzen Tag zerstören.“ Trigger stehen häufig im Zusammenhang mit erlebter seelischer und/oder körperlicher Gewalt. Oft sind sie Teil einer posttraumatischen Belastungsstörung, weswegen sich Symptome überschneiden können. Laut der Internationalen Klassifikation von Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen (ICD) lösen Trigger in der Regel Schweißausbrüche, Schwindel und Herzrasen aus. Brigitte Lueger-Schuster vom Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien erklärt: „In der Regel sind solche Erinnerungen an Gewalterfahrungen sehr belastend. In der Psychologie nennt man Flashbacks, das Wiedererleben von Situationen sowie dadurch entstehende Albträume Intrusion.” Nicht umsonst bedeutet das Wort Intrusion auch Eindringen oder Eingreifen. Ein großes Problem bei Triggern ist nämlich die Unvorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit. Auch wenn Trigger Betroffenen bereits bekannt sind, so ist es nicht immer möglich, diese im Alltag zu vermeiden.
KONTROLLVERLUST. Gerade die Bilderflut im Internet spielt hierbei eine große Rolle. Gewaltvolle Darstellungen werden auf Netzwerken wie Facebook, Tumblr und Twitter verbreitet. Ob diese nun tatsächlich einer realen Situation entstammen, wie Kriegsberichterstattung oder Chronik-Schlagzeilen, oder fiktiv sind, wie eine Filmszene oder ein Musikvideo, ist für die getriggerte Person oft irrelevant. Daher kann eventuell der Konsum jeglicher Medien – auch von Literatur, Serien oder Filmen – eingeschränkt sein. Während manche Serien wie etwa Game of Thrones für ihre exzessive (sexualisierte) Gewalt bekannt sind, bergen auch vermeintlich „harmlose“ Formate wie Sitcoms Andeutungen oder Referenzen auf Gewaltsituationen. Vorwarnungen gibt es hierbei nicht.
Im Internet gibt es hingegen seit einigen Jahren den Trend zu Warnungen. Ihren Ursprung haben sie in Beiträgen in Selbsthilfeforen, wo Opfer (sexueller) Gewalt einander damit auf potenzielle Stressreaktionen hinweisen. Potenziell verstörende Inhalte werden durch ein „TW“ oder „CW“ (für trigger oder content warning, also Inhaltswarnung) eingeleitet. Wie es dann weitergeht, entscheiden die Nutzer_innen: Sie wägen nun selbst ab, ob sie trotzdem draufklicken und weiterlesen wollen.
MEDIENVERANTWORTUNG. „Es gibt so viele offensichtliche Trigger, etwa wenn es um glorifizierte Gewalt geht. Es würde definitiv mein Surfen im Internet erleichtern, wenn gerade gewaltvolle Bilder mit einer Warnung versehen wären. Viele Nachrichtenstationen machen das ja auch, das hilft sehr“, sagt Katharina. In visuellen Medien wie Film und Fernsehen ist es bereits üblich, vor Gewalt zu warnen. Gerade im US-amerikanischen TV wird vor jeder Sendung ein Hinweis auf mögliche problematische Inhalte eingeblendet – das könnte allerdings mehr mit einer konservativen Medienpolitik als mit Rücksicht auf Betroffene zu tun haben. Auch in einigen europäischen Ländern, wie etwa Estland, werden solche Informationen vorab gesendet. Gerade im Rahmen der Altersfreigaben wäre es bei visuellen Medien ein Leichtes, Warnungen auszusprechen. In Österreich sind Jugendfreigaben im Fernsehen gezeichnet, oft mit einem Ausrufezeichen oder einem ähnlichen Symbol neben dem Senderlogo. Das gilt aber nicht für Nachrichtensendungen.
„Alleine, dass sie für einige Menschen so notwendig sind, legitimiert meiner Meinung nach absolut ihre Existenz“, sagt Bloggerin Malaika Bunzenthal (malifuror.blog-space.eu). Sie selbst fühlt sich dadurch nicht in ihrer journalistischen Arbeit eingeschränkt. Doch viele Autor_innen und Filmemacher_innen arbeiten gerade mit Überraschungen und Schockmomenten, nutzen das Entsetzen der Zuschauer_innen und bauen darauf ihr kreatives Konstrukt auf. „Auch im Journalismus wird oft mit emotionaler Berichterstattung und Effekthascherei gearbeitet”, kritisiert Lueger-Schuster. „Das Totschlagargument der Medien ist immer, dass sie eben die Emotionen brauchen, um Leute aufzurütteln und überhaupt zum Lesen zu bringen.”
Die Verwendung von Trigger- und Inhaltswarnungen wird aber auch jenseits der Sensationsgeilheit kritisch diskutiert: Eingebracht wird etwa, dass eine inflationäre Verwendung die Sinnhaftigkeit von Warnungen mindern könnte. Weiters ist es nicht möglich, allen Dinge, die potenzielle Leser*innen triggern könnten, zu kennen. Schlussendlich meinen einige, die Konzentration auf individuelle Trigger würde gesellschaftliche Macht- und Unterdrückungsstrukturen individualisieren und damit die Systematiken dahiner verschleiern.
Gabriela Kielhorn studiert Theater-, Film- und Medienwissenschaft und Orientalistik an der Universität Wien.